Allwissenheit, unbegrenztes Wissen. Nicht zu verwechseln mit Unfehlbarkeit.


Das allsehende Auge Gottes*

In der Religion versteht man unter Allwissenheit die Fähigkeit eines ►Gottes, den Zustand der Welt, Vergangenheit und Zukunft sowie die Gedanken der Menschen vollständig zu kennen. Diese Kenntnis dient Gott als Entscheidungsgrundlage für die Ausübung seiner Allmacht.

Allwissenheit führt jedoch zu diversen logischen Widersprüchen. Einer davon ist auch als Newcombs Paradox bekannt. Sie sind Kandidat in einem TV-Quiz; vor Ihnen stehen zwei verschlossene Boxen. In der einen befinden sich entweder 1000 Euro oder gar nichts. In der zweiten, das wissen Sie genau, liegen 100 Euro. Sie haben die Wahl, entweder die erste Box zu nehmen - oder alle beide.

Eine leichte Wahl, denken Sie? Es gibt einen Haken: Der Quizmaster weiß genau, wie Sie sich entscheiden werden. Er hat sich vor der Show eingehend mit den Kandidaten befasst und kennt Ihren Charakter und Ihre Entscheidungsprozesse viel besser als Sie selbst. Hat er vorausgesehen, dass Sie nur die erste Box nehmen werden, hat er vorher einen Tausender hineingelegt. Andernfalls ist die erste Box leer. Diese Regel wurde Ihnen vor Beginn der Show mitgeteilt.

Zum Zeitpunkt Ihrer Wahl ist also das Geld bereits platziert, beide Boxen sind verschlossen. Daher liegt es nahe, beide zu nehmen - ändern kann sich die Geldsumme in den Boxen ja nicht mehr. Die 100 Euro sind Ihnen dann zumindest sicher. Dies könnte der Quizmaster aber vorausgesehen und eben darum die erste Box leer gelassen haben. Wäre es also doch besser, nur die erste zu nehmen?

Der allwissende Quizmaster

Der Widerspruch, durch eine Entscheidung in der Gegenwart die Vergangenheit beeinflussen zu können, führt zu dem Schluss, dass die Kenntnis der Zukunft unmöglich ist. Da sie zudem eine vollständig vorherbestimmte Welt bedingt (►Laplacescher Dämon) und somit die Wahlfreiheit zwischen Gut und Böse negiert, wird Zukunftswissen von manchen Theologen der Allwissenheit Gottes nicht zugerechnet. Auch ein Gott kann nach dieser schwächeren Allwissenheitsdefinition von Entscheidungen der Menschen, die er nicht vorhergesehen hat, überrascht werden.

Freilich ist dies nicht das einzige Problem mit der Allwissenheit. Sogar mit der Gegenwart ist ein allwissendes Wesen, wie Gödel 1930 und Turing 1936 bewiesen, nur lückenhaft vertraut. Auch wenn Gott sich große Mühe gibt, kann er nicht über die Wahrheit oder Falschheit der ►Kontinuumshypothese entscheiden. Und wenn man Gott ein Computerprogramm vorlegt, kann er in der Regel nicht sagen, ob dieses einen ►Bug enthält oder nicht.



* Freundlicherweise zur Verfügung gestellt von der US Federal Reserve Bank.

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