Anthropisches Prinzip, die Erkenntnis, dass die Naturgesetze so formuliert sein müssen, dass sie mit der Existenz von Naturforschern vereinbar sind.

Das klingt zunächst wie eine Binsenweisheit. Das Anthropische Prinzip soll jedoch bestimmte Eigenschaften der Naturgesetze erklären. Das gilt vor allem für die Werte von Naturkonstanten, für die Anzahl und Art der Elementarteilchen und die Anzahl der Dimensionen des Raums. Diese Werte sind nämlich genau auf unsere Existenz maßgeschneidert. Schon bei geringen Abweichungen von den Zahlenwerten, die diese Konstanten in unserem Universum haben, können keine höheren Elemente und damit kein Leben entstehen. Ein Proton ist nur deshalb genau 1836mal schwerer als ein Elektron, weil in allen Welten mit anderen Massenverhältnissen keine Beobachter existieren und diese Werte messen könnten.

Das maßgeschneiderte Universum

Das augenblickliche Standardmodell der Physik - die Theorie, die das Verhalten der Materie beschreibt - liefert keine andere Erklärung für diese perfekt passenden Werte der Naturkonstanten. Zwar könnten sich die Werte auf natürliche Weise aus einer zukünftigen Stringtheorie ergeben. Das würde jedoch lediglich das Problem der Feinabstimmung des Kosmos auf eine andere Ebene verlagern. Der Kosmologe Brandon Carter bot 1973 mit seinen zwei Anthropischen Prinzipien eine alternative Erklärung.

Das Schwache Anthropische Prinzip besagt, dass unser Ort im Universum in dem Sinne privilegiert ist, dass er mit unserer Existenz als Beobachter vereinbar ist. Dies impliziert, dass es andere Orte, andere Zeiten oder andere Universen gibt, die dieses Privileg nicht besitzen. Aus dem Schwachen Anthropischen Prinzip folgt also, dass unsere Welt keineswegs die einzige ist, die existiert, jemals existiert hat oder je existieren wird. Es bedingt also andere Welten (Multiversen), in denen sich die Naturkonstanten von unserem Ort im Universum unterscheiden oder unterschieden haben. Die meisten dieser anderen Orte wären wüst und leer. Unsere maßgeschneiderten Naturkonstanten sind dann kein unwahrscheinlicher Zufall, sondern folgen natürlich aus der Vielzahl möglicher Welten. Sie ergeben sich sogar zwingend, falls unendlich viele verschiedene Welten existieren.

Das Starke Anthropische Prinzip geht darüber hinaus. Es besagt, dass das Universum notwendig so beschaffen sein muss, dass es die Existenz von Beobachtern erlaubt. Dies kann man auf zweierlei Arten interpretieren. Entweder es muss eine bessere physikalische Theorie geben, wie etwa die Stringtheorie, welche die Konstanten 'natürlich' erklärt (das Starke Anthropische Prinzip steht demnach im Widerspruch zum Standardmodell). Oder ein Gott hat die Konstanten gerade richtig eingestellt, um intelligentes Leben zu produzieren. In beiden Fällen ist die Existenz anderer Welten nicht nötig.

Ein Hauch von Mystik

Leider helfen die Anthropischen Prinzipien bei der Erforschung der Naturgesetze und des Universums nicht wirklich weiter. Wenngleich wir nun wissen, warum in unserer Welt das Massenverhältnis von Proton zu Elektron genau 1836 betragen muss, fehlt noch eine physikalische Theorie, die diese Zahl aus grundlegenden Gesetzen ableitet. Dennoch mögen viele Wissenschaftler solche Prinzipien, zumal sie ihren Forschungen einen metaphysischen oder gar mystischen Touch verleihen.

Wie zu erwarten, führte die Formulierung der Anthropischen Prinzipien daher sofort zu Kontroversen, Vereinnahmungen durch religiöse oder esoterische Gruppen und zur Publikation wirrer Bücher. Anhänger des Kreationismus sahen im Starken Anthropischen Prinzip einen Beweis für göttliche Eingriffe in die Natur. Manche Wissenschaftler freilich machten sich einen Spaß daraus, den Streit durch Veröffentlichung weiterer Anthropischer Prinzipien anzuheizen. John Wheeler etwa formulierte das Partizipatorische Anthropische Prinzip: Beobachter sind nötig, um das Universum zu erzeugen.


Weblinks zum Thema

■ www.anthropic-principle.com

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