Bewusstsein, Prozess der Selbsterkennung des Ich.

Der Prozess, der in unserem Gehirn Bewusstsein entstehen lässt, ist nicht nur für die Naturwissenschaft, sondern auch für die Philosophie eines der größten Rätsel. Für viele Philosophen stellt diese Frage gar die äußerste Grenze für unseren Erkenntnisdrang dar. Die Schwierigkeit beginnt schon damit, Bewusstsein präzise zu definieren (Seele). Einigkeit besteht weitgehend darüber, dass zur Bewusstseinsbildung ein ausreichend komplexes Gehirn die Voraussetzung ist.

Ob diese Komplexitätsbedingung nur vom menschlichen Gehirn erfüllt wird, ist bereits strittig. Wie jeder Hundebesitzer weiß, lässt das Verhalten von höheren Tieren durchaus Willen, Charakter, Erinnerungen und sogar ab und zu ein schlechtes Gewissen vermuten. Doch können sie sich deshalb als denkendes Wesen erkennen? Zwar hat man in Experimenten Affen farbige Punkte auf die Stirn gemalt und dadurch festgestellt, dass sie sich selbst im Spiegel identifizieren konnten. Das bedeutet jedoch noch nicht die Existenz eines Bewusstseins, denn dieses ist ja nicht durch äußere Handlungen, sondern durch einen inneren Prozess definiert. Ob ein Lebewesen eine Bewusstsein hat, lässt sich daher durch Beobachtung allein nicht zwingend beweisen - nicht einmal für Menschen. Wir können Bewusstsein nur subjektiv an uns selbst erfahren und gestehen es darum anderen Menschen wegen ihrer Ähnlichkeit mit uns im Verhalten zu, ohne uns dessen vollständig sicher sein zu können.

Bestandteile des Bewusstseins (Robert Fludd, Geist und Bewusstsein)

Warum erleben wir etwas, wenn bestimmte neuronale Prozesse in unserem Gehirn ablaufen? Oder sind wir wie Maschinen, die nur auf Reize reagieren, und haben nur die Illusion eines Bewusstseins? Könnte eine reine Reiz-Reaktions-Maschine überhaupt unsere komplexen Handlungen hervorbringen? Zwei Methoden bieten sich an, diesen Fragen nachzugehen. Zum einen kann man versuchen, die neuronalen Prozesse im Gehirn immer besser zu verstehen. Zum anderen kann man ein hinreichend komplexes Gehirn in einem hinreichend leistungsfähigen Computer simulieren und dann beobachten, ob sich dabei ein Bewusstsein bildet - oder zumindest etwas, das nach außen hin wie Bewusstsein aussieht.

Maschinen sind fähig, mit menschlicher Stimme zu reden, Leute am Gesicht zu erkennen und Hindernisse zu überwinden, um ein Ziel zu erreichen. Sie können spielen, lernen und sich selbst umprogrammieren. Und in einigen Jahren werden sie all dies vermutlich noch besser können. Hat eine Maschine, die sich äußerlich wie ein Mensch verhält, ein Bewusstsein? Und wenn nicht, was fehlt ihr noch? Es gibt hierzu vier unterschiedliche Auffassungen:

Idealismus: Nur Menschen können ein Bewusstsein haben. Maschinen können sich immer nur so verhalten, wie es ihnen einprogrammiert wurde, egal wie komplex ihr Programm sein mag.

Materialismus: Eine genügend komplexe Hardware und Software kann Bewusstsein entwickeln. Das gilt für das menschliche Gehirn, also gilt es auch für Maschinen.

Behaviorismus: Unser Verhalten wird durch einen Reiz-Reaktions-Mechanismus bestimmt. Das Bewusstsein ist nur eine Illusion.

Mystizismus: Alles im Universum hat Bewusstsein.

Bewusstsein im Computer?

Zurzeit ist die Technik der Künstlichen Intelligenz noch nicht weit genug, um diese Fragen zu klären. Allein die Hardware eines menschlichen Gehirns ist jeder Maschine noch weit überlegen. In einem Computerchip kann man heute eine Million Transistoren pro Quadratmillimeter unterbringen, die Hirnrinde dagegen enthält 100 Millionen Synapsen pro Kubikmillimeter. Insgesamt verfügt das menschliche Gehirn über die Rechenleistung von 1016 dreidimensional verschalteten Synapsen - hundert Millionen mal mehr als ein Mikroprozessor der neuesten Generation mit seinen nur etwa 108 Schaltelementen, die zudem nur zweidimensional verdrahtet sind. Dennoch werden Computer die Rechenleistung eines menschlichen Gehirns in den nächsten 30 Jahren irgendwann erreichen und überschreiten. Dann wird die Sache interessant.

Der Turing-Test, vor über 50 Jahren erstmals vorgeschlagen von dem Mathematiker Alan Turing, definiert künstliche Intelligenz als eine Konversationsfähigkeit. Wenn wir uns mit dem Computer unterhalten und ihn anhand seiner Antworten nicht mehr von einem Menschen unterscheiden können, wird ihm intelligentes Bewusstsein zugeschrieben. Zwar führen schon heute relativ primitive PC-Programme solche Unterhaltungen, jedoch sind sie von Intelligenz im Sinne des Turing-Tests noch weit entfernt:

JCL: Hello, Alice.
ALICE: Hi there.
JCL: Do you know an alternative proof of Goedels incompleteness theorem?

ALICE: No. Not a robot. Probably a human. Maybe a celebrity? That's not something I get asked all the time.
JCL: What do you know then?
ALICE: I tend to know a great deal. Tell me what subjects interest you.
JCL: Anything about infinity.
ALICE: I can't think of anything. You think of something.
JCL: Hmm.
ALICE: Studies show that 99% of people spell Hmm with 2 M's.

Um echte künstliche Intelligenz von vorgetäuschter zu unterscheiden, gilt es dem Computer die richtigen Fragen zu stellen. Das könnten die gleichen Fragen sein, die am Anfang der Bewusstwerdung des Menschen standen (und auch am Anfang dieses Wörterbuchs): Hat der Raum irgendwo eine Grenze? Hat die Zeit einen Anfang und ein Ende? Wo waren wir vor der Geburt? Wohin gehen wir nach dem Tod?

Vielleicht finden künstliche Intelligenzen auf diese Fragen genau die gleichen Antworten, die auch in diesem Wörterbuch behandelt wurden. Vielleicht aber finden sie ganz andere. Vielleicht lösen sie alle Rätsel des Unendlichen im Handumdrehen. Vielleicht finden sie ganz neue Rätsel und stellen ganz neue Fragen.

Das Unendliche beibt spannend.


Weblinks zum Thema

■ Dialog mit Alice

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