Urknall,
Zeitpunkt vor 13,7 Millliarden
Jahren, an dem das ►Universum seine
größtmögliche Dichte und Temperatur hatte.
Dass es einen Urknall gegeben haben muss, folgt aus vielen astronomischen
Beobachtungen, etwa der ►Rotverschiebung -
der Beobachtung, dass alle ►Entfernungen im
Universum wachsen. Demzufolge müssen dereinst alle Galaxien am
gleichen Ort gewesen sein. Auch wenn dieses Ereignis ziemlich lange her
ist, kann man es anhand deutlicher Spuren im Universum rekonstruieren
- der kosmischen ►Hintergrundstrahlung,
der Materieverteilung, dem Massenverhältnis von Isotopen und der Helium-
und Wasserstoffkonzentration. Das augenblickliche ►Standardmodell der
Physik bietet zwar keine Erklärung für den Urknall selbst, erlaubt aber,
die Ereignisse danach relativ genau zu bestimmen.
In der Millennium-Simulation der Virgo-Forschergruppe wurde im
Frühjahr 2005 auf einem Parallelrechner des Max-Planck-Instituts in Garching
die Entwicklung des Universums in hoher Genauigkeit
durchgerechnet. Das Ergebnis der Simulation stimmt hervorragend mit der
Materieverteilung in unserem heutigen Universum überein. Hier eine Chronik:
Zeitpunkt
Null:
Was den Urknall auslöste und wie das genau passierte, liegt im Bereich
der Spekulationen, denn das Standardmodell taugt
nicht für
so kleine Zeiten. Ziemlich sicher ist, dass das Universum nicht aus einem
Punkt explodierte, wie Sie noch in manchen Büchern lesen können. Der
Physiker Gabriele
Veneziano entwickelte
eine Interpretation der Stringtheorie, nach der die Welt ein
unendlich großer, ►ewiger, kalter,
zehndimensionaler Raum ist. Zunächst
sind alle zehn ►Dimensionen gleichwertig.
Die Überlappung zweier schwingender, mehrdimensionaler Membranen
in diesem Raum führte zur Abspaltung unserer drei Raumdimensionen
zum Zeitpunkt Null. Die Abspaltung ging einher mit dem 'Aufrollen' der
restlichen Dimensionen zu winzigen Größen
und einer extremen Verdichtung und Erhitzung des Raums. Gemäß dieser
Theorie gibt es ständig neue Urknalle, die jedesmal zur temporären
Entstehung eines drei- oder auch mehrdimensionalen Universums führen.
Wie dem auch gewesen sein mag, alle weiteren Ereignisse lassen sich
aus dem Standardmodell ableiten:
10-43 Sekunden*:
Das Universum beginnt dicht und heiß.
Es gibt noch keine Atome oder Atomkerne,
nur elektromagnetische Strahlung (so
dass die Bibel mit ►"Es werde
Licht!" nicht ganz falsch lag). Ein Liter Urknall wiegt
1094 Kilogramm
und hat eine Temperatur von 1032 Grad Celsius**.
Die vier Grundkräfte,
die die heutige Physik kennt - Schwerkraft, Starke und Schwache Kernkraft
und Elektromagnetische Kraft - sind bei dieser Temperatur noch zu einer
gemeinsamen Urkraft vereinigt.
Der Raum beginnt sich sofort auszudehnen***.
Durch die Ausdehnung nehmen die Dichte und Temperatur der Strahlung ab. Die
Schwerkraft spaltet sich als erste eigenständige Kraft von der Urkraft ab,
denn sie gehorcht unterhalb einer bestimmten Temperatur einem anderen Kraftgesetz
als die anderen drei Kräfte. Die Strahlung ist immer noch so energiereich,
dass sich Strahlungsteilchen ständig spontan in kurzlebige Materie- und
Antimaterieteilchen und zurück verwandeln. Dabei bildet sich aufgrund
einer Unsymmetrie (►CP-Verletzung) ein winziger Überschuss
an Materie im Vergleich zur Antimaterie. Dieser Überschuss von nur
etwa 0,0000000001 Prozent ist die Grundlage für die gesamte heutige
Materie des Universums.
10-36 Sekunden:
Die Strahlungstemperatur ist auf 1027 Grad abgesunken. Auch
die Starke Kernkraft spaltet sich bei dieser Temperatur als eigene Kraft
ab. Die Abspaltung bewirkt einen Phasenübergang in den Kraftfeldern, ähnlich
wie wenn Wasser zu Eis gefriert. Hierbei wird Energie freigesetzt und
beschleunigt 'inflationär' die Ausdehnung des Raumes, der sich in kurzer
Zeit um den Faktor 1030 ausdehnt. Der Bereich, der dem heute
beobachtbaren Teil des Universums entspricht (►Hubble-Volumen),
erreicht dabei schlagartig die Größe eines Tennisballs. Diese extrem
schnelle Inflation des Raums ist die Ursache für die
heute beobachtete gleichförmige Verteilung von Materie und Strahlung
im Universum.
Die starke Ausdehnung kühlt zudem die Strahlung extrem ab,
auf 1016 Grad (das ist eine Zahl, die man bereits aussprechen
kann: Zehntausend Billionen Grad Celsius). Jetzt trennen sich auch die
elektromagnetische Kraft und die Schwache Kernkraft. Damit ist die Aufspaltung
der Urkraft in die vier heute bekannten Grundkräfte abgeschlossen.
10-16 Sekunden:
In dem heißen Plasma aus Strahlung und Teilchen, das den Raum erfüllt,
entstehen jetzt durch Zusammenballung von Quarks und Antiquarks verschiedene
Sorten schwerer Elementarteilchen. Mit abnehmender Temperatur zerfallen
die schwersten der Teilchen, bis nur noch Protonen und Neutronen - die
späteren Bestandteile von Atomkernen - sowie ihre Antiteilchen übrig
bleiben. Auch diese Teilchen vernichten sich gegenseitig bei Kollisionen
mit ihren Antiteilchen, bis auf den schon erwähnten winzigen Materie-Überschuss.
Die Strahlungsenergie reicht zur Bildung schwerer Teilchen
nicht mehr aus. Nur noch leichte Elementarteilchen - wie Elektronen und
ihre Antiteilchen, die Positronen - können entstehen. Ein Raumvolumen
von einem Liter wiegt jetzt nur noch gut 10 Milliarden Kilogramm bei
einer Temperatur von einer Milliarde Grad Celsius.
10
Sekunden: Die Temperatur ist nun so niedrig, dass sich Protonen und
Neutronen zu stabilen ►Atomkernen vereinigen können,
ohne dass sie durch die Strahlung gleich wieder auseinander gerissen
werden. 75% der Protonen schwirren als Wasserstoffkerne frei herum, die
restlichen bilden zu 25% Helium (bestehend aus 2 Protonen und 2 Neutronen)
und zu 0,001% Deuterium (1 Proton, 1 Neutron). Die ältesten Sterne bestehen
heute noch aus genau dieser Mischung.
Die Ausdehnung des Raums bewirkt übrigens keineswegs, dass
sich die Atomkerne selbst ausdehnen. Nur der Abstand zwischen ihnen vergrößert
sich. Nach fünf Minuten hat die Materiedichte soweit abgenommen, dass
sich keine neuen Atomkerne mehr bilden. Die übrig gebliebenen Neutronen
sind nicht stabil und zerfallen im Verlauf der nächsten Minuten. Danach
passiert einige Jahrtausende lang nichts Aufregendes mehr.
10000
Jahre: Durch die weiter sinkende Temperatur nimmt die Energie und
Masse der Strahlung ständig ab. Es gibt jetzt mehr Materie als Strahlung
im Universum. Bei der weiteren Abkühlung können positiv geladene Atomkerne
negativ geladene Elektronen 'einfangen' und mit ihnen stabile Atome bilden.
Diese sind elektrisch neutral und wechselwirken kaum noch mit den Strahlungsteilchen.
Licht kann sich nun, etwa 400000 Jahre nach dem Urknall, ungehindert
ausbreiten. Das Universum wird durchsichtig. Das Licht, das damals das
Universum erfüllte, können wir heute noch als ►Hintergrundstrahlung wahrnehmen.
1
Million Jahre: Da die Strahlung keinen Druck mehr auf sie auswirkt,
gerät die Materie nun stärker unter den Einfluss der Schwerkraft, die
eine gegenseitige Anziehung der Teilchen bewirkt. Anfangs war die Materie
fast völlig gleichförmig verteilt, abgesehen von geringen Dichteschwankungen,
die in der bereits erwähnten Inflations-Phase 10-36 Sekunden
nach dem Urknall entstanden sind. Aus diesen Dichteschwankungen bilden
sich nun großräumige Zusammenballungen. Die Atome verhalten sich dabei
wie Schmeißfliegen: Je mehr sich auf einem Haufen versammeln, desto
mehr Anziehung üben sie auf andere aus. Es kommt zu Massenansammlungen
von Wasserstoff- und Heliumatomen.
1 Milliarde
Jahre: Die Massenansammlungen ziehen sich durch die Schwerkraft dichter
und dichter zusammen. Sie bilden schließlich ►Schwarze
Löcher, die so massiv sind, dass sie den Raum um sich verkrümmen
und zu einem geschlossenen Bereich abschnüren. Um sie herum rotieren
große Wolken von durch die Anziehung eingefangenem Helium und Wasserstoffgas.
Gasströme stürzen unter Aussendung enormer Strahlung in die Schwarzen
Löcher hinein und verschwinden für immer. Diese Strahlungsquellen - die ►Quasare -
existieren heute nicht mehr, dennoch sehen wir sie immer noch am
Rand des beobachtbaren Bereichs des Universums.
In den rotierenden Gaswolken entstehen aus örtlichen Verdichtungen
die ersten Sterne und Sternhaufen. Bis jetzt kannte die Welt nur Wasserstoff,
Helium und Spuren anderer leichter Elemente; nun bilden sich in den Sternen
durch Verschmelzen von Atomkernen alle schweren Elemente bis zum Eisen.
Die größeren Sterne explodieren schon nach ein paar Millionen Jahren
als Supernova. In der Explosion bilden sich auch Elemente, die
schwerer als Eisen sind, und werden ins All geschleudert. Alle schweren
Elemente, aus denen auch wir zusammengesetzt sind, wurden im Inneren
von Sternen und in Supernova-Explosionen ausgebrütet (so dass wir im
wahrsten Sinn des Wortes aus Sternenstaub bestehen).
Nachdem die Schwarzen Löcher die meisten Gaswolken in ihrer
unmittelbaren Nähe an sich gezogen und verschluckt haben, versiegen die
in sie hineinstürzenden Gasströme und damit auch die Quasarstrahlung.
Die Schwarzen Löcher kommen zur Ruhe und werden weitgehend unsichtbar.
Sie bilden die Zentren der um sie herum durch Sternbildung entstehenden Galaxien.
9 Milliarden
Jahre: Am Rand einer sonst weiter nicht auffälligen Spiralgalaxie
verdichtet sich eine Wolke aus Gas und Staub, die auch schwere Elemente
aus früheren Supernova-Explosionen enthält. Unter dem Einfluss der Schwerkraft
verklumpt diese Wolke schließlich zu einem Sonnensystem mit neun Planeten.
13,7
Milliarden Jahre: Die Temperatur der allumfassenden Strahlung ist
nun auf unter -270 Grad Celsius abgesunken, nur 2,7 Grad über dem absoluten
Nullpunkt. Dies ist die heute gemessene Temperatur der kosmischen ►Hintergrundstrahlung.
Auf dem dritten Planeten des oben erwähnten Sonnensystems kriechen kleine
Gruppen werkzeugbenutzender Lebewesen aus dem Dschungel. Sie starren
in den Nachthimmel und beginnen sofort mit dem Grübeln über die ►Unendlichkeit...
Was passiert weiter? Da es keinen Grund gibt, die Computersimulation
in der Jetztzeit anzuhalten, kann man sie bis zum Ende des Universums durchlaufen
lassen. Das Ergebnis finden Sie unter ►Universum.
Weblinks zum Thema
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