Weltbild,
die Vorstellung einer Ordnung und eines Zusammenhangs hinter unserer Anschauung von der Welt. Enger gefasst versteht man unter einem Weltbild ein ►Modell von Entstehung, Gestalt und Funktion des ►Universums. Es kann sich hierbei um ein wissenschaftliches oder ►pseudowissenschaftliches, aber auch um ein philosophisches, religiöses oder magisch/mystisches Modell handeln.
Oft haben Religionen kein einheitliches Weltbild. Der heutige ►christliche Fundamentalismus etwa kennt die unterschiedlichsten Weltbilder, abhängig davon wie bestimmte Bibelpassagen (vor allem ►Genesis) interpretiert werden:
- Flache Erde - Anhänger dieser Theorie glauben, dass eine wörtliche Interpretation der Bibel nur einen Schluss zulässt: Die Erde ist eine flache, unbewegliche Scheibe mit dem Zentrum im Nordpol und dem Rand entlang der Antarktis. Gegenbeweise - etwa Expeditionen zum Südpol oder die Umrundung der Erde per Flugzeug oder Satellit- sind Fabrikationen einer weltweiten atheistischen Verschwörung, an der alle Regierungen und wissenschaftlichen Institute teilnehmen. In der Tat sind die Beschreibungen der Welt in der Bibel am ehesten mit einer flachen Erde vereinbar. Dieses Weltbild hat daher auch heute noch ernsthafte Anhänger. Wer sich mit einer flachen Erde anfreunden mag, findet Gleichgesinnte auf ►www.theflatearthsociety.org/forum.
- Geozentrismus - die Theorie, dass die Erde sich im Mittelpunkt des Universums befindet. Oft ist dies verbunden mit der Annahme, dass die Erde stillsteht und Sonne und Sterne um den Planeten rotieren. Überraschenderweise läßt sich diese Vorstellung durch bloße Beobachtung nicht widerlegen, da die Himmelskörper ja tatsächlich um die Erde zu kreisen scheinen. Der Geozentrismus findet auch heute noch eine große Zahl von Anhängern, die viele Bibelstellen zur Unterstützung ihrer Theorie anführen können. Manche Junge-Erde-Kreationisten (s.u.) waren zugleich Verfechter des Geozentrismus, bis sich in den 1990er Jahren die führenden Kreationisten-Organisationen vom Geozentrismus lossagten. Seither haben Geozentristen ihre eigenen Organisationen und Websites, wie etwa ►www.geocentricity.com.
- Junge-Erde-Kreationismus - der Glaube, dass das Universum mitsamt Erde, Tieren und Menschen vor ca. 6000 Jahren durch einen übernatürlichen Akt geschaffen wurde. Verbindendes Element aller Richtungen des ►Kreationismus ist die Ablehnung der Evolutionstheorie, jedoch unterscheiden sie sich erheblich in ihren Weltbildern. Junge-Erde-Kreationisten glauben an die Sintflut und daran, dass Menschen und Dinosaurier zusammen lebten und alle Tiere ursprünglich Vegetarier waren. Beobachtungen, die auf ein älteres Universum hinweisen - wie der Umstand, dass wir Milliarden Lichtjahre entfernte Galaxien sehen können oder dass Erdgestein anhand radiometrischer Messungen Milliarden Jahre alt ist - werden in der Regel mit Fehlbeobachtungen oder supernaturalen Effekten erklärt. Gängige Erklärungen sind etwa eine göttliche Erschaffung des Sternenlichts oder eine übernatürliche Beschleunigung der Lichtgeschwindigkeit oder des radioaktiven Zerfalls. Auch Junge-Erde-Kreationisten beanspruchen für sich die einzig richtige, wörtliche Interpretation der Bibel, wobei sie freilich Wörtlichkeit anders auffassen als Flache-Erde-Anhänger oder Geozentristen.
Der Junge-Erde-Kreationismus stellt die einflussreichste kreationistische Fraktion dar und verfügt in den ►USA über eine riesige Anhängerschaft und fast unerschöpfliche Finanzmittel. Seine Hauptorganisation AiG (►www.answersingenesis.org) wird von dem Prediger Ken Ham geleitet. Ein angegliedertes Creation Research Institute (CRI) beschäftigt eigene Wissenschaftler zur Aufstellung von Gegentheorien gegen das gängige wissenschaftliche Weltbild. Die Organisation besitzt sogar ein Museum (►www.creationmuseum.org), welches in der Aufmachung eines Naturkundemuseums das Weltbild einer jungen Erde propagiert. Der bekannteste und skurrilste unter den Junge-Erde-Kreationisten ist der Prediger Kent Hovind, der freilich zur Zeit wegen Steuerhinterziehung eine längere Auszeit auf Staatskosten nehmen muss.
- Lücken-Kreationismus - ein Vorläufer des Alte-Erde-Kreationismus. Seine Anhänger akzeptieren die Aussagen der Wissenschaft über die Entstehung von Erde und Universum, lehnen jedoch die Evolutionstheorie ab. Die Lücken-Theorie (gap theory) geht von einer 'Zeitlücke' von vielen Milliarden Jahren zwischen dem ersten und zweiten Satz der ►Genesis aus. Gott erschuf vor 6000 Jahren zwar nicht die Erde und das Universum, jedoch alle Pflanzen, Menschen und Tiere. Einige Anhänger der Theorie vermuten sogar, dass Gott eine frühere Version der Schöpfung (mit Dinosaurieren), die ihm nicht gefiel, vorher auslöschte. Andere Lücken-Theoristen glauben ebenso wie Junge-Erde-Kreationisten an die Sintflut und die vorherige Koexistenz von Menschen und Dinosaurieren. Dennoch bekämpfen die meisten Organisationen des Junge-Erde-Kreationismus die Lücken-Theorie als gefährliches Kompromisslertum, welches einem weniger fundamentalistischen Weltbild Tür und Tor öffnet. Damit haben sie nicht unrecht, denn viele Anhänger der Lücken-Theorie sind mittlerweile zu den Alte-Erde-Kreationisten oder gar zu den theistischen Evolutionisten abgewandert. Nur wenige Websites halten der Lücken-Theorie noch die Stange, z.B. ►www.creationdays.dk.
- Alte-Erde-Kreationismus - die Theorie, dass mit jedem Tag in der Schöpfungsgeschichte in Wirklichkeit ein Zeitraum von Milliarden Jahren gemeint war. Mit einiger Mühe kann man dadurch die 6 Tage der Schöpfung mit dem ►Urknall und der Erdgeschichte in Übereinklang bringen. Die heutige ►Astronomie und Geologie wird somit akzeptiert, die Evolutionstheorie jedoch abgelehnt. Lebewesen wurden im Verlauf der letzten 4 Milliarden Jahre nacheinander von Gott geschaffen. Sintflut und Arche Noah sind ein Mythos oder allenfalls ein lokales Ereignis. Alte-Erde-Anhänger stellen unter Kreationisten eine Minderheit dar und werden von Junge-Erde-Jüngern bis aufs Messer bekämpft. Zur Strafe nehmen sie auf ihren Websites die Junge-Erde-Theorien gründlich auseinander. Die bekannteste Organisation ist AiC (►www.answersincreation.org) des ehemaligen Astronomen Hugh Ross. Alte-Erde-Kreationismus existiert auch im ►Islam und hat dort in dem türkischen Autor Adnan Oktar alias Harun Yahya (►www.harunyahya.com) seinen bekanntesten Verfechter.
- Intelligent Design - eine Bewegung der 90er Jahre, die den Alte-Erde-Kreationismus im Schulunterricht der USA zu etablieren versuchte. Hierzu wurde der Begriff 'Gott' durch 'intelligenter Designer' ersetzt und auf Argumente aus der Bibel zugunsten von Sachargumenten verzichtet. Anhängern der Intelligent-Design-Lehre zufolge ist der Kreationismus ebenso wissenschaftlich fundiert wie die Evolutionstheorie. Allerdings hielt diese Argumentation der Debatte nicht stand, als zwischen 1995 bis 2005 Intelligent-Design-Anhänger in den USA auf juristischem Wege versuchten, ihre Lehre als gleichwertig der Evolution im Biologieunterricht durchzusetzen. Mehrere Gerichtsprozesse endeten mit der Feststellung von Unwissenschaftlichkeit der Intelligent-Design-Lehre und von bewussten Falschaussagen ihrer Vertreter. Seit dem letzten dieser Prozesse im Dezember 2005 in Dover / Pennsylvania ist es um Intelligent Design relativ still geworden. Seine Anhänger sind zumeist wieder in den Schoß ihrer jeweiligen Kreationisten-Organisationen zurückgekehrt.
- Bibeltreuer Evolutionismus - die Lehre, dass zwar die Entstehung des Universums und der Erde sowie die Evolution von der Wissenschaft weitgehend korrekt beschrieben werden. Jedoch hat Gott oft persönlich in die Entwicklung eingegriffen, etwa durch die Erschaffung des ersten Lebens oder durch die Erschaffung von Adam und Eva im Garten Eden. Biblische Vorgänge wie Sündenfall und Sintflut haben sich tatsächlich so ereignet und wurden, soweit sie nicht auf natürliche Weise erklärbar sind, durch ►Wunder bewirkt. Ob Adam und Eva tatsächlich die ersten Menschen waren oder lediglich repräsentiv für die Menschheit ausgewählt wurden, ist unter bibeltreuen Evolutionisten umstritten.
- Theistischer Evolutionismus - die Lehre, dass Gott auf allenfalls indirektem Wege, nämlich durch Schaffung der ►Naturgesetze und vielleicht durch Steuerung der Evolution, die Schöpfung in die Wege geleitet hat. Die Bibel ist zwar von Gott inspiriert, doch von fehlbaren Menschen niedergeschrieben worden. Adam und Eva waren keine real existierenden Personen, sondern stehen für die Menschheit. Übernatürliche Vorgänge und Wunder, wie die Zerstörung von Sodom und Gomorrha oder die Sintflut, sind als Mythen und Metaphern zu verstehen. Beim Ursprung des Lebens gehen die Meinungen auseinander. Manche führen diese auf einen göttlichen Eingriff (Biogenese) zurück, andere auf einen natürlichen Vorgang (Abiogenese), der jedoch von Gott vorbestimmt wurde.
Die letztere Variante entspricht der heutigen Mehrheitsauffassung in der katholischen und evangelischen Kirche Europas. In den USA spielt der theistische Evolutionismus nur eine geringe Rolle im Vergleich zu den kreationistischen und antievolutionären Weltbildern. Ein führender Theoretiker des theistischen Evolutionismus ist der britische Physiker und Priester John Polkinghorne (►www.polkinghorne.de).
- Naturalistischer Evolutionismus - die Lehre, dass sich die Entstehung des Universums und des Lebens so abgespielt hat wie von der Wissenschaft beschrieben (►Urknall). Göttliche Eingriffe oder übernatürliche Steuerung haben nicht stattgefunden. Gott ist mehr als schöpferisches und moralisches Prinzip zu verstehen denn als eine tatsächlich schöpferisch handelnde Person. Böse Zungen behaupten, dass das Studium der Theologie insbesondere in Deutschland 90% seiner Absolventen zunächst zu naturalistischen Evolutionisten und dann im Endeffekt gar zu ►Atheisten mache.
Weblinks zum Thema
© jcl
2007 ■ Atheismus ■ Bücher ■ Links ■ Forum
|